Die Abteikirche

Die Kirchenarchitektur

Der Anfang des Klosters fällt noch in die Zeit der Romanik. Dementsprechend wurde das Gotteshaus als einschiffige, romanische Kirche erbaut. Sie war etwas niedriger als die heutige Kirche und flach gedeckt; der Chorraum schloss mit einer geraden Wand ab (typisch zisterziensisch). 500 Jahre nach der Gründung des Klosters ging man daran, die Kirche zu barockisieren. Den Auftrag erhielt Johann Baptist Gunetsrainer aus München. Er übernahm die alten Mauern, erhöhte sie und wölbte den Raum ein. Den geraden Abschluss des Raumes ersetzte er durch eine Chorrundung.

Das Bildprogramm

Die Ausgestaltung des Kirchenraumes übernahm Johann Baptist Zimmermann. Er hat mit seinen beiden Söhnen den Stuck und die Fresken geschaffen. Die Plastiken stammen aus der Werkstatt von Wenzeslaus Jorhan. Die Altaraufbauten schuf der Zisterzienserbruder Caspar Grießemann aus dem Kloster Aldersbach.

Wie jede Zisterzienserkirche ist auch die Abteikirche von Seligenthal eine Marienkirche. Das findet seinen Ausdruck in einem kleinen Marienzyklus. Er beginnt mit dem Deckenfresko über dem rechten Querschiffarm. Er stellt die Geburt Marias dar. Das Fresko auf der gegenüberliegenden Seite zeigt den Tod Marias. Einer Legende zufolge haben sich beim Tod Marias die Apostel bei ihr eingefunden. Auf dem Hochaltarbild hat Zimmermann die Aufnahme Marias in den Himmel dargestellt. Im unteren Teil des Bildes sind Apostel und Jüngerinnen zu sehen, die in lebhaften Gesten ihrer Erregung Ausdruck geben. Im oberen Teil sehen wir Maria, die von einer Wolke in die Höhe getragen wird. Die Wolke trennt den irdischen Bereich von der himmlischen Welt. Was über der Wolke ist, kann man mit den Augen nicht wahrnehmen. "Aufnahme in den Himmel" heißt nicht, dass Maria auf einem unsichtbaren Lift in die Höhe getragen wurde; sie bezeichnet den Wandel in ein neues Leben bei Gott. Der Maler muss aber das Unsichtbare sichtbar machen; nur so kann er sich mitteilen.

Das große Mittelfresko zeigt die Krönung Marias als Symbol für ihre Vollendung in der Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott. Engel mit Zweigen und Instrumenten bejubeln das Ereignis. Der Wolkenkranz macht wieder deutlich, dass das Geschehen jenseits unserer Erfahrungswelt liegt.

Das zweite Thema des Bildprogramms ist die Kirche, verstanden als lebendige Gemeinschaft. Im Boden der Kirche sind die Toten bestattet. Wir beten für sie; auch sie gehören zur Kirche. In der Höhe befinden sich die Figuren der Heiligen, der schon Vollendeten. Auf dem Hochaltar sehen wir die beiden Ordensväter: links den Hl. Benedikt, rechts den Hl. Bernhard.

Der Hl. Benedikt wurde durch seine Ordensregel zum Vater des abendländischen Mönchtums. Das Buch, das er in der Hand hält, ist seine "Regula". Er verfolgte mit ihr eine Lebensordnung, die in maßvoller Weise Weltabkehr und Dienst an der Welt ("ora et labora") miteinander verbindet. Durch die Mönche und Nonnen, die nach seiner Regel lebten, prägte er in entscheidender Weise das abendländische Denken.

Auch die Zisterzienser gehören zur benediktinischen Ordensfamilie. Das Ursprungskloster Citeaux war eines der vielen Reformklöster, die im Lauf der Zeit entstanden sind. Der Name Zisterzienser ist abgeleitet von lat. Cistercium (= Citeaux).

Der Hl. Bernhard ist nicht der Gründer des Zisterzienserordens, sondern der große Zisterzienser der ersten Generation. Er umfängt mit der Rechten die Leidenswerkzeuge Jesu: Kreuz, Lanze und Stock mit Schwamm. In der Betrachtung des Leidens Jesu hat sich dem hl. Bernhard die große Liebe Jesu und damit die Liebe Jesu erschlossen.

Die Heiligen auf den Seitenaltären vertreten die verschiedenen Stände der Kirche: Die Apostel Johannes und Jakobus, die Bischöfe Wolfgang (Patron des Bistums) und Eligius, die Diakone Laurentius und Stephanus und die Frauen Barbara und Katharina.

An der Decke sind die vier abendländischen Kirchenlehrer zu sehen: ausdrucksstarke Halbreliefs von J.B. Zimmermann. Gregor der Große, Ambrosius, Hieronymus und Augustinus, der Gott ein brennendes Herz hinhält. In den Stuckrahmen des Mittelfreskos sind vier Medallions mit den Symbolen der Evangelisten eingefügt: Engel, Löwe, Stier und Adler.

Der stärkste optische Eindruck geht aus von dem goldenen Fenster über dem Hochaltar. Dieses, das Gold, ist ein Symbol für Christus, den Herrn der Kirche. Aus ihm und auf ihn hin lebt sie. Johannes der Täufer auf dem Kanzeldeckel weist mit einer weit ausholenden Geste auf ihn hin.

Wenn man von vorne nach hinten schaut, sieht man an den rückwärtigen Wänden des Seitenschiffs zwei Fresken. Das eine zeigt die Stifterin mit dem Kirchenmodell, das andere stellt eine Grabkammer dar, ein Hinweis, dass die Kirche auch Begräbnisstätte ist.

Den ganzen hinteren Teil des Längsschiffs überdeckt der Nonnenchor, der mit einem geschwungenen Netzgitter abgeschlossen ist. Die Decke über dem Chor ist mit leichtem Stuck und Grisaillebildern geschmückt. Diese stellen Engel mit den in den Psalmen genannten Musikinstrumenten dar. Der Choraltar mit einem spätgotischen Lebensbaum-Kreuz und einer Apostelreihe ist von unten nicht zu sehen.